Die Zukunft der Heizung mit 65 % erneuerbarer Energie: Ruhe bewahren!
Wie heizen wir in Zukunft? Was unterscheidet Einfamilienhäuser von Mehrgeschossbauten? Ist eine Sanierung entscheidend? Kann man sich das überhaupt leisten? Unterstützt mich der Staat oder muss ich alles allein tun?
Die Fragen zur Energiezukunft schlagen in allen Bevölkerungsschichten durch. Dabei sind die Antworten durchaus unterschiedlich. Während für neue Einfamilienhäuser z. B. mit elektrischen Wärmepumpen, Wärmenetzen oder Biomasseheizungen verschiedene, per Definition erneuerbare Energiesysteme zur Auswahl stehen, überziehen sich bei Zukunftskonzepten für Mehrfamilienhäuser, Altbauten oder ganzer Stadtkerne Akteure gegensätzlicher Ansätze mit Argumenten, mitunter aber auch mit polemisch geführten Diskussionsbeiträgen. Normalbürger:innen können hier in vielen Fällen nicht folgen und müssen sich auf die Aussagen der öffentlichen Medien verlassen. Diese können aber niemals eine objektspezifische Energieberatung ersetzen. Deswegen versuchen wir auf dieser Seite einen allerersten, grundlegenden Technikcheck zu einer konstruktiv geführten Diskussion beizutragen.
Neubau oder Sanierung? Die Frage der Heizung
Die Gründe, über eine neue Heizung nachzudenken, sind vielfältig. Ob Neubau, Sanierung oder der Tausch einer defekten Heizung: In der heutigen Zeit prasselt eine Unzahl von Meinungen, Gutachten und Pressemeldungen auf jeden Einzelnen ein, so dass es äußerst schwer ist, den Überblick zu behalten. Darüber hinaus befindet sich das hierfür ursächliche Gebäudeenergiegesetz noch in der Entwicklungsphase, so dass es keine final gültigen Aussagen über Verbote bestimmter Heizungssysteme und die Bevorzugung anderer gibt und auch nicht geben kann. Vor diesem Hintergrund gilt: Ruhe bewahren und Energieberatung in Anspruch nehmen.
Es gibt nicht die eine richtige Lösung. Sicher sind elektrisch getriebene Wärmepumpen im energieeffizienten Neubau und auch bei einigen neueren Bestandsgebäuden bei verfügbarer Quellwärme (Luft, Boden, Grundwasser, Wärmenetz) eine gute Wahl. Erst recht in der Kombination mit eigenen PV-Anlagen inklusive Speicher können vor allem in den Übergangsjahreszeiten nicht zu unterschätzende Eigenstrommengen zum Heizen genutzt werden.
Etwas schwieriger wird die Beurteilung bei Gebäuden, die einen schlechten Dämmstandard besitzen und deren Eigentümer nicht über umfangreiche finanzielle Mittel verfügen. Erste und recht einfach umsetzbare Maßnahmen sind hier das Dämmen einer Kellerdecke oder der Tausch älterer Fenster. Aufwendigere Maßnahmen, wie das Installieren einer hocheffizienten Wohnraumlüftung oder eine kompletten Außendämmung des Gebäudes sind oftmals nur bei Komplettsanierungen sinnvoll umsetzbar (siehe für Angaben zum Sanierungsaufwand auch: ASUE-Broschüre "Sanieren mit Brennstoffzelle"). Dies gilt unter Umständen auch für die mögliche Umrüstung einer vorhandenen Heizungsanlage. In diesem Zusammenhang möchten wir darauf hinweisen, dass die Nutzung einer Wärmepumpe nicht zwingend den Einbau einer Fußbodenheizung bedeutet. Denn auch größere Radiatoren, unter Umständen inklusive aktiver Umwälzeinrichtung, ermöglichen auch mit geringen Vorlauftemperaturen eine erfolgreiche Wohnungsbeheizung.
Hybridanlagen, Wärmenetze, grüne Gase
Und wenn das auch nicht reicht? Alle führenden Heizungshersteller haben für diese Momente inzwischen Hybridanlagen im Programm. Hier werden elektrische Wärmepumpen nur so lange betrieben, bis sie ihr optimales, wirtschaftliches Betriebsfenster verlassen. In diesem Moment schaltet sich ein Spitzenlastkessel zu, der z. B. mit Gas, Holz oder auch Öl betrieben wird und der auch hohe Temperaturen jenseits der 60 °C sicher erzeugen kann. Über den Deckungsanteil dieses Spitzenlastbrenners kann die hybride Heizungsanlage dann so eingestellt werden, dass die wahrscheinlich zukünftig geltende Vorgabe von mindestens 65 % erneuerbarer Energie möglichst kosteneffizient eingehalten wird. So haben wir für unsere Effizienzhaus-Broschüre ermittelt, dass eine Hybridanlage aus elektrischer Wärmepumpe und mit Erdgas betriebener Brennwerttherme einen EE-Anteil von 78 % erreicht, wenn die Brennwerttherme nur für 20 % der Gebäude- und Trinkwasserwärme verantwortlich ist (siehe ASUE-NZEB-Neuberechnung von 05/2022).
Photovoltaik kann zukünftig einen großen Beitrag für ein grünes Stromnetz leisten. Auf einem Einfamilienhaus installiert kann sie zudem eine mögliche Wärmepumpe direkt antreiben und so den Bedarf an CO2-belastetem Netzstrom reduzieren. Leider gilt dies hauptsächlich für die Übergangsjahreszeiten, in denen bei oftmals geringeren Außentemperaturen noch längere Tage für ausreichend PV-Ertrag sorgen. Dagegen ist in winterlichen, nebelverhangenen Zeiten auch hier eine vollständige Netzversorgung erforderlich (siehe nebenstehende Grafik).
Glücklich kann sich schätzen, wer an einem Ort lebt, in dem bereits eine kommunale Wärmeplanung im Gange ist. Denn hier wird von behördlicher Seite eine Lösung entwickelt, die eine klimaneutrale Energieversorgung bis zum Jahr 2045 für alle im betrachteten Gebiet lebenden und arbeitenden Menschen vorsieht. Dabei kennen die lokal verantwortlichen Politiker die Herausforderungen und auch die Bevölkerungsstruktur deutlich besser, als es die Landes- und Bundespolitiker jemals könnten. Dadurch sind sie in der Lage, mögliche Erzeuger, Ressourcen und Verbraucher so miteinander zu kombinieren und vernetzen, dass für alle Bürgerinnen und Bürger eine bezahlbare, versorgungssichere, und gleichzeitig klimaneutrale Versorgungslösung entstehen kann. Erkundigen sie sich in ihrem Bürgerbüro nach etwaigen Zukunftsvorhaben und verweisen sie ihre Vertreter notfalls auf den Praxisleitfaden kommunale Wärmeplanung von AGFW und DVGW.
Die zukünftige Rolle grüner Gase, allen voran Wasserstoff, ist großen Diskussionen unterworfen. Je nach Autorenschaft geben Studien für 2045 von Vollversorgung bis zu absolutem Mangel alle Ergebnisarten aus. Ebenso sind aber auch die von Bürgerinitiativen und ausufernden Kosten gebremsten Stromnetzausbauten mit übergroßen Fragezeichen versehen. Beide Ausbaupfade unterliegen Unsicherheiten, das kostentechnische Risiko ist bei Wasserstoff und auch bei Biomethan aber geringer! Hier gilt es daher, mit Augenmaß und mit Blick auf lokale Faktoren zu handeln.
Thomas Wencker
Telefon: 0 30 / 22 19 13 49-0
E-Mail: thomas.wencker@asue.de