Maximale Effizienz durch integrierte Wasserstoffnutzung im Quartier "Neue Weststadt" in Esslingen
Im Projekt „Klimaquartier Neue Weststadt“ in Esslingen wird ein Reallabor der Energiewende auf einem innerstädtischen Areal von 12 ha umgesetzt. Das Quartier umfasst im Endausbau rd. 550 Wohneinheiten, Büro- und Gewerbeflächen sowie ein Neubau der örtlichen Hochschule. Das Ziel ist, einen nahezu klimaneutralen Stadtteil – im Projekt definiert mit unter einer Tonne CO2-Emissionen pro Bewohner und Jahr für Wohnen und Mobilität – zu errichten. Dies wird u. a. durch die Reduzierung des Energiebedarfs, einen hohen Grad an Solarisierung, die Nutzung der Abwärme aus der Wasserstoff-Erzeugung sowie den Einsatz von Biomethan in BHKWs erreicht.
Zentrales Element der Energieversorgung des Quartiers ist ein Wasserstoff-Elektrolyseur mit einer Leistung von 1.000 kWel. In ihm wird Strom aus erneuerbaren Energiequellen in „Grünen Wasserstoff“ umgewandelt. Der eingesetzte Strom stammt aus lokalen PV-Anlagen auf den Gebäudedächern sowie überwiegend aus Erzeugungsanlagen, die von außerhalb überschüssigen, erneuerbaren Strom über das öffentliche Stromnetz liefern. Die etwa 25 – 30 % Abwärme des Elektrolyseurs (ca. 60 °C) wird über ein Nahwärmenetz im Quartier genutzt, um rd. die Hälfte des Wärmebedarfs der Wohngebäude und der Hochschule zu decken. Durch die Wärmeintegration wird ein Jahresnutzungsgrad der Elektrolyse von ca. 85 – 90 % erreicht.
Saisonale Speicherung von erneuerbarer Energie, umfangreiche Nutzungskonzepte
Zur kurzzeitigen Speicherung des erzeugten Wasserstoffs (Betriebsdruck 10 bar) dient ein Druckbehälter mit einem Volumen von 32 m³. Von dort aus kann die Rückverstromung vor Ort in einem speziellen H2-Blockheizkraftwerk erfolgen. Dabei handelt es sich um einen Gasmotor, der mit reinem Wasserstoff 150 kWel und alternativ mit zertifiziertem Biogas 200 kWel leistet.
Zur saisonalen Langzeitspeicherung und für die Dekarbonisierung des Gassektors wird der produzierte grüne Wasserstoff in das lokale Erdgasnetz der Stadtwerke Esslingen eingespeist. Darüber hinaus wird der lokal erzeugte Wasserstoff für die Industrie und die Mobilität außerhalb des Quartiers genutzt. Durch eine Abfüllung in Trailer auf 300 bar können Industrieunternehmen im Umfeld bedarfsgerecht beliefert werden. In einer späteren Projektphase soll eine Tankstelle errichtet werden, an der PKWs auf einem Druckniveau von 700 bar mit dem erneuerbaren Energieträger betankt werden können. Bei einer angestrebten Abnahmemenge von 50 kg pro Tag könnten täglich 50 Fahrzeuge mit jeweils 100 km Reichweite versorgt werden.
Die Nutzung des Wasserstoffs in Mobilität und Industrie bietet wesentlich höhere Erlöse je kg H2 als die Rückverstromung oder das Einspeisen ins Gasnetz und sollen wesentlich zur Kostendeckung des Vorhabens beitragen. Zusätzlich wurde mit dem städtischen Gasnetzbetreiber ein neues Geschäftsmodell entwickelt, bei dem die Einspeisung in das Erdgasnetz mit einer Quersubventionierung (Einspeisevergütung) gefördert wird.
Das Projekt ist eines der sechs Leuchtturmprojekte des 6. Energieforschungsprogramms der Bundesregierung in der Förderinitiative "Solares Bauen/Energieeffiziente Stadt" und wird von 2017 bis 2022 mit etwa 12 Mio. Euro gefördert. Die im Jahr 2019 gegründete Gesellschaft Green Hydrogen Esslingen (GHE) ist der Investor, Betreiber und Vermarkter des grünen Wasserstoffs und der Abwärme aus der H2-Produktion. Je nach den Strompreisen ergibt sich ein Wasserstoffpreis von 6 bis 8 Euro/kg.
260 Wohneinheiten des Stadtquartiers sind bereits bezogen und rd. 170 befinden sich derzeit im Bau (Stand Mai 2020). Weitere Gebäudeblöcke und der Neubau der Hochschule Esslingen sind in der Planung. Die Energiezentrale ist im Bau, der Elektrolyseur, BHKW und weitere Komponenten sind bestellt. Der Probebetrieb ist für Ende 2020 geplant.
Freigabe: Univ. Prof. Dr. M. Norbert Fisch, SIZ EGS, Stuttgart
Thomas Wencker
Telefon: 0 30 / 22 19 13 49-0
E-Mail: thomas.wencker@asue.de
Weitere Informationen
Bild: © Fotograf Maximilian Kamps, Stuttgart und die Agentur Blumberg GmbH
Förderung
Das Projekt "Neue Weststadt Esslingen" wird durch das BMWi und das BMBF gefördert.
Galerie
Veranstaltung
Besuchen Sie kostenlos den Wasserstofftag am 04. Juni auf den digitalen Energietagen! Prof. Fisch stellt dort das Projekt vor und steht für einen Dialog zur Verfügung! Anmeldung unter www.energietage.de.
Broschüre