Organic-Rankine-Cycle-Anlagen auf dem Vormarsch
Hohe Strompreise machen es möglich: Die ORC-Technologie gewinnt an Bedeutung. Hersteller verbuchen Auftragszuwächse und ihre Kunden erzeugen aus Abwärme zusätzlichen, eigenen Strom.
Generell nutzen Turbinen einen gasförmigen Stoff, der in ihren Turbinenschaufeln entspannt wird. Die dabei freiwerdende Energie wird in eine Drehbewegung umgesetzt, über eine Welle an einen Generator übergeben und zur Stromerzeugung genutzt.
Üblich ist die Verwendung von Wasserdampf. Wasser verdampft unter Standardbedingungen bekanntlich bei 100 °C. Für die Stromerzeugung wird durch Verbrennung von Gas, Kohle, Holz oder Müll Dampf erzeugt, auf mehrere 100 °C aufgeheizt, verdichtet, und in der Turbine bis zu einem Punkt entspannt. Im Anschluss wird das nun flüssige Wasser über eine so genannte Speisewasserpumpe zurückgeführt und wieder zur Verdampfung genutzt. Dieser von den Physikern Clausius und Rankine entwickelte Kreisprozess ist Grundlage für alle GuD-Kraftwerke und es existieren entsprechende umfangreiche Erfahrung in Aufbau und Betrieb. Insbesondere Gas-und-Dampf-(GuD)-Kraftwerke erreichen durch den Einsatz mehrstufiger Hochdruckturbinen und die Abhitzenutzung in einer nachgeschalteten Dampfturbine elektrische Wirkungsgrade über 60 %.
Damit die hohen Wirkungsgrade möglich sind, benötigt ein GuD-Kraftwerk eine hohe Eintrittstemperatur an der Turbine. Mit der Verwendung eines niedriger als Wasser siedenden Arbeitsmediums lassen sich aber einige der positiven Eigenschaften von Turbinen in andere Temperaturbereiche übertragen. Durch die Verwendung von z. B. Ammoniak (Siedepunkt -33,3 °C) oder Silikonöl (Siedepunkte ab ca. 60 °C) kann auch niedriger temperierte Abwärme als Quellwärme genutzt werden. Aus der Nutzung der organischen Medien erhält der hier betrachtete Prozess dann auch seinen Namen: Organic-Rankine-Cycle – ORC).
ORC: Das Ende des Dornröschenschlafs
In der Vergangenheit wurden ORC-Anlagen mit dem EEG 2004 gefördert, als für an Biogas-BHKW angeschlossene ORC-Anlagen ein Technologiebonus i. H. v. 2 Ct/kWh auf den erzeugten Strom aufgeschlagen wurde. Erst kürzlich hat das Landgericht Stade in diesem Zusammenhang festgestellt, dass die Vergütungsansprüche aus diesen Technologiebonus auf den gesamten Strom der Biogasanlage, also auch den aus dem als Wärmequelle dienenden BHKW, gezahlt werden muss.
Wegen der in dieser geringen Systemgröße am Anfang stehenden ORC-Technologie und den überaus günstigen Stromkosten aus dem öffentlichen Netz kam es nur zu einzelnen Installationen dieser Technik. Dies ändert sich zur Zeit:
So hat die NAWARO Bioenergie AG in ihrem Bioenergiepark Klarsee im Nordosten von Mecklenburg-Vorpommern 2022 insgesamt 40 ORC-Module des französischen Herstellers ENOGIA in Betrieb genommen (Quelle: Finanzreport ENOGIA 2022, pdf, frz.). Diese sind an jeder der dort installierten, 500 kWel starken Biogasanlage angeschlossen und erzeugen zusätzlichen Eigenstrom. Diese rund 6,5 Millionen Euro Mehrkosten machen sich bei den heute heutigen Strompreisen offensichtlich bezahlt.
Unter dem Titel „Start-up mischt den Energiemarkt auf“ berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 23. 02.2023 über die Orcan Energy AG aus München. Orcan ist schon länger für die ORC-Technologie bekannt, nun vermeldete der Geschäftsführer im Gespräch mit der FAZ eine Auftragssteigerung um mehr als 50 % im Vergleich zum letzten Jahr. Er betonte, dass sich die ORC-Anlagen heute innerhalb von zwei bis vier Jahren rentieren, natürlich je nach Anwendungsfall.
Mit der ORC-Technologie erhält eine weitere Effizienztechnologie Zutritt in den Maschinenraum der Energiewende. Die zusätzliche Eigenstromerzeugung hilft ORC-Betreibern ein Stück unabhängiger vom Stromnetz zu werden, die Stromgestehungskosten von ORC-Anlagen liegen mit knapp über 10 Ct/kWhel deutlich unter aktuellen Strompreisen. Darüber hinaus wird Unternehmen durch das neue Energieeffizienzgesetz 2023 die Nutzung von Abwärme vorgeschrieben werden und dadurch ORC-Anlagen zu noch mehr Einsatzfällen verhelfen.
Thomas Wencker
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