Wasserstoff geht ins Netz: DVGW und Avacon starten Wasserstoffeinspeisung
Klimaschutz ist in aller Munde. Ob in der Industrie, dem Verkehrsbereich oder dem Wärmemarkt: Wasserstoff wird eine große Zukunft vorausgesagt. Damit diese Diskussionen nicht im Sande verlaufen, muss eine funktionierende Infrastruktur dafür vorgehalten werden. In Sachsen-Anhalt schafft die Avacon in Zusammenarbeit mit dem DVGW seit diesem Jahr die technischen Grundlagen.
Wasserstoff "verbrennt" zu reinem Wasser. Diese klimaschonende Eigenschaft macht das flüchtige Gas in allen Sektoren, die ihre Emissionen vor dem Hintergrund verschiedener Klimaschutzziele reduzieren müssen, hochgradig beliebt. Das Gasnetz, dass Deutschland und Europa bis in viele kleine Winkel der Landschaft heute schon erschließt, steht als existierende Infrastruktur für die Verteilung von Wasserstoff bereit. Aber dessen chemisch-physikalischen Eigenschaften unterscheiden sich von denen des heutzutage meistens transportierten Methans.
Sicherer Betrieb des Gasnetzes auch mit Wasserstoff: Es funktioniert
Für den sicheren Betrieb von Gasleitungen und Geräten werden unter Führung des DVGW schon seit langem Regeln entwickelt und im Markt umgesetzt. Diese Normen schreiben Installateuren, Anlagenbauern und Anwendern zum Beispiel vor, welches Dichtungsmaterial oder welche Sensortechnik am jeweiligen Installationsort verwendet werden muss. In langwierigen Untersuchungen werden alle entsprechenden Bauteile getestet und nach erfolgreicher Bewertung mit einem entsprechenden Zertifikat versehen. Nur über diesen extrem aufwändigen Prozess war es in den vergangenen Jahrzehnten möglich, das heute bekannte hohe Maß an Sicherheit zu gewährleisten.
Mit Wasserstoff, sei es aus fossilen oder erneuerbaren Quellen, erreicht zukünftig kein Unbekannter das Gasnetz. Das Stadtgas des frühen 20. Jahrhunderts enthielt oftmals mehr als die Hälfte an Wasserstoff. Dennoch müssen heute die beteiligten Komponenten und Anlagen mit neuen Zertifikaten für den sicheren Content Switch im Gasnetz versehen werden. Denn Wasserstoff unterscheidet sich mit seinen physikalisch chemischen Eigenschaften an manchen Stellen signifikant von Methan.
In Bezug auf die Beimischung von Wasserstoff ist die technische Regel G260 das maßgebliche Dokument. Bis zu seiner Revision im September 2021 waren Wasserstoffgehalte von weniger als 10 % zulässig. Für diese Konzentration sind alle Geräte und Technologien, die heute am Gasnetz angeschlossen sind, ausgerüstet. In der neuen G260 wird nun ein maximal möglicher Anteil von 20 % Wasserstoff vorgeschrieben. Geräte, die nach der neuen Regel zertifiziert werden sollen, werden für die Zulsassung sogar mit 23 % Wasserstoff getestet.
Realer Funktions-Check der Wasserstoffeinspeisung gestartet
Mit Meldung vom 28. Oktober 2021 hat der DVGW den Start der Wasserstoff-Beimischung in einem klar umgrenzten Testgebiet in Sachsen-Anhalt vermeldet. Ab Beginn der Heizsaison 2021/22 wird der Wasserstoffanteil in verschiedenen Schritten hochgefahren, zum Abschluss der Heizperiode soll die Zielkonzentration von 20 % Wasserstoff erreicht werden.
Geräte und Anlagen müssen für diesen Prozess nicht verändert werden, einzig vier stark veraltete Heizungen wurden im Vorfeld ausgetauscht. Die etwa 350 Abnehmer sind an einem für das gesamte Gasnetz der Avacon repräsentativen Mitteldruck-Verteilnetz mit rund 35 Kilometern Leitungslänge angeschlossen. Die Nutzer werden sensortechnisch überwacht, so dass die Eigenschaften des Netzes und mögliche Störungen detektiert und analysiert werden können. Der Wasserstoff, der hier zum Einsatz kommt, ist noch nicht aus erneuerbaren Quellen, sondern aus Erdgas hergestellt. Dieses kann verlässlich und wetterunabhängig erfolgen, so dass die Validierung der erhöhten Wasserstoffgehalte sicher erfolgen kann.
Viele Gasheizungen und BHKW sind H2Ready
Anlagenbauer sind schon ein Stück weit voran gegangen. Heutige Gasbrennwertheizungen und viele BHKW können mit meist geringem Aufwand umgerüstet werden, sobald relevante Mengen von Wasserstoff im Netz zu Ihnen gebracht werden. Einzelne Geräte erkennen sogar schon selbstständig, welche Zusammensetzung das Ihnen zugeführte Brenngas hat und passen ihre Brenner-Regelung automatisch an. Heute installiert, können sie ohne große Schwierigkeiten an die bevorstehenden Änderungen angepasst werden.
Es gibt aber auch eine große Anzahl von Bestandsanlagen. Diese sind nicht notwendigerweise von Werk aus für die Nutzung von Wasserstoff vorgesehen und zugelassen. Nutzer tauschen diese z. B. aus Kostengründen nicht aus, wenn es zu steigenden Wasserstoffgehalten kommt – hier sind die Gasnetzbetreiber in der Pflicht, die bei der erfolgreichen L-/H-Gas-Umstellung gemachten Erfahrungen auch für den Content Switch im Gasnetz anzuwenden.
Thomas Wencker
Telefon: 0 30 / 22 19 13 49-0
E-Mail: thomas.wencker@asue.de
Weitere Informationen
Zur DVGW-Pressemeldung: Erstmals 20 Prozent Wasserstoff im deutschen Gasnetz
Weitere Projektinformationen auf der Projektseite unter www.dvgw.de/dvgw-forschungsprojekt-h2-20.